Stufe eins: Die Achtsamkeits-Meditation
übersetzt von Fa Yi Shakya
Chan (Zen) ist die mystische Tradition des Buddhismus, die vor fast zweitausend Jahren in China entstand. Chan ist die Umschrift des Sanskrit-Begriffes „Dhyana“ welcher mit „meditieren“ übersetzt werden kann. Es ist nicht einfach sich geistig darauf einzulassen. Dies in mehr als einer Hinsicht. Es gibt heutzutage viel Interesse an Zen in der westlichen Welt. Der Begriff Zen hat an Popularität gewonnen, es wird häufig versucht mit dem Label „Zen“ Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen, was wiederum die Menschen dazu verleitet, Vereinen und Gruppen beizutreten, Bücher zu verkaufen, etc. Es ist somit nicht verwunderlich, dass es diverse Missverständnisse darüber gibt, was Chan/Zen tatsächlich ist.
Wie der Name schon sagt, hat Chan in der Tat etwas mit Meditation zu tun. Aber es geht in Wirklichkeit viel mehr auch um die Art geistige Reise, welche die Meditation begleitet.
Obwohl er kein Ziel hat, beinhaltet dieser Weg, sich fortlaufend neu entfaltende , aufeinander aufbauende bzw. sich verstärkende Entdeckungen und Erlebnisse, wenn wir ihn gehen.
Der Satz: „Der Weg ist das Ziel“, könnte beim Zen zutreffender nicht sein.
Um diesen Weg zu gehen, sind jedoch einige Vorbedingungen notwendig. Sowohl für Geist und Psyche, als auch für unseren physischen Körper. Was bedeutet das konkret für uns in diesem Zusammenhang?
Zuerst müssen wir leben. Das mag sich etwas seltsam anhören, aber bedenkt man, wie viele von uns „blind“ gegenüber dieser Tatsache sind und ohne das Bewusstsein am Leben zu sein, durch den Alltag gehen, ist der Hinweis berechtigt. Jede Tätigkeit, das Ankleiden, Frühstücken, die Fahrt zur Arbeit, Gespräche während des Tages... Wie viel davon ist reflexartig, was ist wirklich reflektiert und bewusst? Selbst Essen und Atmen geschieht häufig unbewusst. Wenn wir jedoch weitgehend unbewusst agieren, wie lebendig sind wir dann tatsächlich?
Deshalb ist der erste Schritt dieses vierstufigen Prozesses, lebendig zu werden und das Leben bewusst wahrzunehmen. Uns selbst, die Umgebung in der wir leben usw. Diese erste Stufe beinhaltet, unseren Geist dahin zu trainieren, die Welt zu sehen, wie sie wirklich ist. Diese Praxis führt dazu, den Geist, die Psyche und den Körper zu harmonisieren. Die Ergebnisse sind weniger Stress, verbesserter Schlaf und die verbesserte Beziehungsfähigkeit zu Kollegen, Freunden und Familie. Hinzu kommt eine verbesserte Herz-Kreislauf-Gesundheit und, was vielleicht am wichtigsten ist, ein größeres Gefühl der Zufriedenheit und des Wohlbefindens im Allgemeinen.
Diese Praxis hat viele Namen in der populären Kultur: Transzendentale Meditation [TM] , Atem-Meditation und MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction) sind nur einige davon. In wissenschaftlichen Kreisen werden sie in der Regel alle als Formen der "Achtsamkeitsmeditation" kategorisiert. Es geht dabei um Achtsamkeit, also um die Beobachtung unseres Geistes, des Geistes in seinem Fluss, so wie er ist. Im Gegensatz hierzu stehen Meditationsformen, in welchen ganz bewusst eine Fokussierung auf ein zuvor festgelegtes Konzentrationsobjekt stattfindet.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass viele Zen-Lehrer der japanischen Tradition, insbesondere der Soto-Tradition diese Phase der Praxis mit Zenpraxis an sich gleichsetzen. So heisst es auf der Soto-Zen-Webseite (sotozen-net.or.jp) : "Konzentrieren Sie sich nicht auf ein bestimmtes Objekt und beeinflussen Sie Ihre Gedanken nicht. Bei richtiger Haltung und Atmung beruhigt sich der Geist und wird auf natürliche Weise still.“
Wenn verschiedene Gedanken im Kopf entstehen, werden diese weiter verfolgt. Man lässt sie kommen, hält nicht daran fest und lässt sie wieder hinwegziehen.
Das Wesentliche beim Zazen [Sitzmeditation] ist (kakusoku) zu wecken, frei von Ablenkung und Dumpfheit und die Rückkehr in die richtige Haltung des „Hier und Jetzt." [Anmerkung 1]
Diese erste Praxis ist in der Regel sehr einfach für jedermann durchführbar und erbringt relativ schnell erkennbare Resultate. Für jemanden, der noch nie meditiert, hat folgende Empfehlungen:
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- Vermeiden Sie vor dem Start eine große Mahlzeit und finden Sie einen Ort ohne Ablenkungen.
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- Setzen Sie sich bequem auf einem Stuhl, ohne auf die Rückenlehne zurückgelehnt. Normalerweise sitzt man auf dem ersten Drittel bis max. auf der Hälfte. Vermeiden Sie Sofas oder Möbel mit weichen Kissen. Setzen Sie sich mit dem Rücken "gerade", lehnen Sie sich nicht an, halten Sie Kopf und Hals „in-linie“ mit dem Rücken und die Schultern entspannt.
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- Nehmen Sie fünf bis zehn langsame, tiefe Atemzüge und gehen Sie sicher, vollständige Atemzüge zu machen, bevor Sie den nächsten Atemzug zu starten.
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- Schließen Sie die Augen und beobachten Sie, was der Geist tut. Er kann ein Auto fahren hören oder ein Jucken bemerken. Oder es können Gedanken aufkommen über all die Wäsche, die noch gewaschen werden muss, usw. Einfach sitzen und beobachten. Wenn der Geist aus Unachtsamkeit verloren geht, gehen wir wieder zur Beobachtung zurück. Jedes Mal, wenn Sie den Geist zum Beobachten zurückbringen, wird es leichter. Das erste Mal kann man versuchen, dies für fünf Minuten zu tun. Sie können sich einen Timer einstellen. Wenn die Aufmerksamkeit nachlässt, kann man stoppen und eine Pause machen. Das nächste Mal kann man dann ein paar Minuten Zeit hinzufügen und sich auf bis zu 20- oder 30-Minuten-Sitzungen hinarbeiten.
Tun Sie dies einmal pro Tag für drei Monate. Nach dem ersten Monat werden Sie sehr viele Veränderungen bemerken. Sie werden weniger Angst / Stress haben, sich besser fühlen, besser schlafen und Verbesserungen in Ihrer gesamten körperlichen und geistigen Gesundheit bemerken. Nach drei Monaten wird es eine natürliche Selbstverständlichkeit sein. Diejenigen von Ihnen, die den Wert dieser Übung anzweifeln, sollten die Zeit und das Engagement aufbringen und es drei Monate selbst ausprobieren.
Die Wirksamkeit auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit ist durch Forschung belegt.
(B. R. Cahn und J. Polich stellten im Jahr 2006 fest, dass Achtsamkeits- Praktiken Bereiche im mittleren präfrontalen Gehirn stimulieren. Jürgen Fell und andere Wissenschaftker haben festgestellt, dass Achtsamkeitsmeditation schnell zu einer moderaten Alpha-Wellen-Aktivität (8 bis 12 Hz, die charakteristisch für Pre-Schlaf / pre-Wachzustand) führt sowie die Aufnahmefähigkeit beim Lernen verbessert. Dieser Effekt war unabhängig davon, wie viel Erfahrung eine Person mit der Achtsamkeitsmethode hatte, oder davon, welcher "Meditations-Schule" sie angehörten. Andere Forscher haben dieser Form der Meditation nachgewiesen den Blutdruck zu senken (Robert D Brook, et al.). Zudem kann Achtsamkeitsmeditation eine gute Hilfe bei der Rehabilitation von Drogenmissbrauch (A. Zgierska) sein und bietet viele gesundheitliche Vorteile (P. Grossman).
Es besteht keine Gefahr im Zusammenhang mit dieser Methode, dieser Praxis der ersten Stufe. Aber die Vorteile sind zahlreich und tiefgreifend. Viele Menschen werden geradezu "süchtig" und gehen weiter bis Stufe zwei: Konzentration, die Vorstufe zur Kontemplation und Chan.
Anmerkung 1: Dieser Begriff, den einige auch als "nur sitzen" bezeichnen, ist eine relativ neue Entwicklung in der Geschichte des Zen, als Grundlage für Chan in den Mahayana-Sutras keinen Hinweis auf reine Achtsamkeitstechniken, sondern beginnen üblichwerweise mit der konzentrierten bzw. zielgerichteten Meditation. (> Man betrachte hierzu beispielsweise das Surangama Sutra).
Referenzen:
-Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion und Nutzen für die Gesundheit, Eine Meta-Analyse von Paul Grossman, Ludger Niemann, Stefan Schmidt, Harald Walach, Journal of psychosomatische Forschung Juli 2004, Volume 57, Issue 1, Pages 35-43.
-Mindfulness Meditation für Substanzstörungen: A Systematic Review, von Aleksandra Zgierska, MD, PhD, David Rabago, MD, Neharika Chawla, MS, Kenneth Kushner, PhD, Robert Koehler, MLS, und Allan Marlatt, PhD, Substance Abuse 2009 den Monaten Oktober Dec; 30 (4): 266-294.
-Darüber hinaus Medikamente und Ernährung: Alternative Ansätze zur Senkung des Blutdrucks: Eine wissenschaftliche Erklärung der American Heart Association, von Robert D Brook, Lawrence J. Appel, Melvyn Rubenfire, Gbenga Ogedegbe, John D. Bisognano, William J. Elliott, Flavio D. Fuchs, Joel W. Hughes, Daniel T. ohne Land, Beth A. Staffileno, Raymond R. Townsend und Sanjay Rajagopalan (22. April 2013). Hypertension 61 (6): 1360-1383.
-Meditation Zustände und Eigenschaften: EEG, ERP und Bildgebungsstudien, von Cahn BR, Polich J., Psychol Bull. 2006 Mar; 132 (2): 180-211